Mittwoch, 5. Februar 2020

CHF 50 | 30.-

19:30 Eglise de Rougemont

Jean-Sébastien Bach (1685-1750)
Partita pour clavier n° 5 en sol majeur BWV 829
Preambulum | Allemande | Corrente | Sarabande | Tempo di minuetto | Passepied | Gigue

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Sonate pour piano n° 15 en fa majeur K. 533/494
Allegretto | Andante | Rondo. Allegretto

Claude Debussy  (1862-1918)
«Images» pour piano, Livre II
Cloches à travers les feuilles (mélancolie diffuse) | Et la lune descend sur le temple qui fut | Poissons d’or (vif)

Claude Debussy  (1862-1918)
12 Études pour piano S. 136
N° 10 (pour les sonorités opposées)
N° 5 (pour les octaves)
N° 11 (pour les arpèges composés)

Claude Debussy  (1862-1918)
«L’Isle joyeuse» pour piano

Unter der Patronage von

Präsentation des Konzerts

Bach: Partita für Klavier Nr. 5 G-Dur
Mozart: Klaviersonate Nr. 15 F-Dur
Debussy: «Images» für Klavier, Band II; 12 Études pour piano; L’Isle joyeuse, für Klavier
Drei Namen. Drei Instrumente. Drei Epochen. Auf den ersten Blick scheint es schwierig, sich ein Programm mit mehr Gegensätzen vorzustellen. Doch wenn man die unter den Händen eines einzigen Interpreten vereinten Werke näher betrachtet, zeichnet sich ein Ariadnefaden ab – der (beinahe) mit drei Wörtern zusammengefasst werden kann: natürliche Poesie des Klaviers. Der Ausdruck stammt von Alfred Cortot und bezog sich just auf Debussys Études: «Der Künstler zieht aus jeder dieser trockenen Schulstudien eine solche Vielfalt von Klangwirkungen, er setzt die Musikalität dieser Abfolge von Intervallen oder von gewollt identischen Figuren so geschickt ein und entwickelt diese mit einer solchen kompositorischen Freiheit und einem so feinen Sinn für die natürliche Poesie des Klaviers, dass diese Études nicht etwa ein vorgegebenes Problem lösen zu wollen scheinen, sondern vielmehr den Eindruck erwecken, ohne jede Rigorosität eine Inspiration umzusetzen, die auf keine natürlichere Art hätte ausgedrückt werden können». Eine so eminente Poesie, dass ihre konkrete Ausführung wenig bedeutet im Hinblick auf ihre Existenz als Begriff – als Vorstellung. Bekanntlich hat Bach am Tisch komponiert, «ohne Hände», ganz in seine Transzendenz vertieft. Was Mozart betrifft, so will die Legende, dass er Haydn in Erstaunen versetzte, als er eine unmögliche Note mit der … Nasenspitze spielte. Debussy selbst zitiert diese Anekdote im Vorwort besagter Études, um die Fingergymnastik zu rechtfertigen, die sein Werk verlangt. Und weiter heisst es darin: «Unsere alten Meister – ich meine “unsere” wunderbaren Cembalisten – gaben nie Fingersätze an und verliessen sich wohl auf das Erfindungstalent ihrer Zeitgenossen. An diesem Talent bei den modernen Virtuosen zu zweifeln wäre ungehörig.»

Hier wird klar, dass es sich vor allem um eine Art Filiation handelt. Debussy bewunderte Bach und Mozart, der seinerseits Bach bewunderte – drei Genies, die laut Aldo Ciccolini alle die Fähigkeit besassen, «das Ohr in ein Klangmikroskop zu verwandeln, welches das unendlich Kleine der Farbnuancen und der harmonischen Finessen aufzeigt.» Gibt es ein besseres Werkzeug, um diese Farbtöne zu verkörpern, als eine monochrome Tastatur, die, ähnlich wie das Periodensystem der chemischen Elemente, alle Elemente der Musik zu materialisieren vermag? Im Übrigen erweist sich die Entwicklung des Königs der Instrumente als untrennbar mit dem Geist seiner Getreuen verbunden. Das barocke Cembalo erlaubte aufgrund der gezupften Saiten keine Resonanzen. Bach machte in seinen Partituren übrigens nie Angaben zur Dynamik, als läge das wesentliche Element seiner Kunst in der Struktur, die uns in ihrer unübertrefflichen Vollkommenheit stets dem Himmel näherbringen sollte. Mozart hingegen verwirklichte seine Gemälde der Emotionen auf dem Pianoforte, das seit 1777 mit einem Pedal ausgerüstet war, welches den Nachhall der Saiten ermöglichte. Die ganz neue Sensibilität des Mechanismus (von piano bis forte) erlaubte dem Musiker, unter der offenkundigen Affektivität des Anschlags diabolische kompositorische Finessen zu verbergen. Ein Bonmot des Pianisten Arthur Schnabel fasst dieses den Sonaten innewohnende Paradox zusammen: «Zu einfach für Kinder, zu schwierig für Erwachsene». Glenn Gould selbst gab zu, er habe «Mozart nie verstanden». Debussy, der grosse Forscher vor dem Herrn, benutzte das heute bekannte Klavier, doch er legte Wollteppiche über sein Instrument, um neue Klänge zu erzeugen.

Das Neue macht jedoch Angst, und der französische Komponist, der nicht auf den einem Bach vorbehaltenen Vorwand zurückgreifen konnte, dieses Neue verherrliche Gott, musste Listen erfinden, um seine Radikalität zu verbergen. Das ist jedenfalls die Überzeugung des Kritikers André Boucourechliev: «Man kann sich sogar fragen, ob der Titel Études nicht eine Kriegslist ist: Man neutralisiert die Gefahr eines übermässigen Bruchs, indem man eine technische Übung vorschiebt». Genau wie Mozart – der gleich beim Allegro dieses Konzerts Farbe bekennt, indem er einem gewissen Wohltemperierten Klavier huldigt, bevor er unter dem Überschwang argloser Freude eine kunstvolle kontrapunktische Rede entfaltet … Hervorgebracht von einem post-kontrapunktischen Erfindungsgeist ohnegleichen, «sind die Études in ihrer Klangwirkung anders als alle anderen Werke der Klavierliteratur», schreibt der Pianist Paul Crossley. Nicht ohne Grund: Diese Herausforderung – anders als alle andern zu sein – inspirierte Debussy wohl von Anfang an und bis hin zu dieser letzten Partitur. Abgesehen von den theoretischen Experimenten gehen die Stücke Isle Joyeuse – das «die Masken der italienischen Komödie, der jungen singenden und tanzenden Frauen» schildern soll –, Poissons d’or oder Cloches à travers les feuilles unstreitig weit über ihren impressionistischen und orientalistischen Vorwand hinaus. Vor allem, wenn man es den Études zugesellt…

Vor ihm hatten schon Chopin und Liszt der Gattung der Klavieretüden zu höchstem Ansehen verholfen. Nach ihm reihte Boulez dieses Werk ins Pantheon der Klaviergeschichte ein. Man könnte sich zum Schluss fragen, welche besondere Stelle das Instrument mit seinen paar Dutzend weissen und schwarzen Tasten, das die Vielschichtigkeit der menschlichen Seele – mit Mitteln, die Freud nicht unbekannt waren – so gut zusammenfasst, in der Musikgeschichte einnimmt. Während Bach auf die menschliche Sprache verzichtet, um sich an ein universelles, mystisches Unbewusstes zu wenden, gibt Mozart vor, sich an unser Bewusstsein zu richten, um wie ein Kobold dessen Kulissen durcheinander zu bringen. Debussy ist weder auf der einen noch der anderen Seite; er schwebt in einer meditativen Abstraktion. Sein in den Wirren des Ersten Weltkriegs entstandenes musikalisches Testament verknüpft den Menschen mit dem Tod, und das Leben mit dem Klavier.

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